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**AUFRUF/ ANKÜNDIGUNG**

Vielen Dank für die vielen netten Kommentare, Nachrichten und euerm Interesse an den Geschichten von der Siedlung in Kübelberg. Ich freue mich sehr darüber 🙂 Ab kommendem Samstag werde ich immer samstags eine Geschichte von der Siedlung der 80er Jahre posten.

Wenn ihr Fotos habt, die ich meinen Texten beiordnen kann, dann zögert nicht, sie mir zu schicken. Es können auch Fotos aus anderen Teilen des Dorfes sein, auch aktuelle 🙂 Per Email an nadine@diesiedlung.com wäre super. Dabei bleibt natürlich immer die DSVGO gewahrt. Gesichter und andere Bereiche der Fotos werden auf Wunsch verpixelt und, wenn es jemand möchte, wird er auch gerne verlinkt.

Die ersten Fotos sind schon bei mir eingegangen und bereits auf dieser Seite veröffentlicht. Danke schon mal 🙂Schaut mal nach 🙂Nadine

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DIE SIEDLUNG- VORWORT

Könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern, als die Maoams in den Hosentaschen klebten, als eure Hosen mehr grüne Grasflecken hatten als blaue Jeansfarbe? Als das Bällchen Eis 20 Pfennige kostete und morgens das Milchauto die Straße entlang fuhr? Ja, das könnt ihr? Dann seid ihr dort, wo meine Geschichten von der Siedlung spielen, in den 80ger Jahren.
Die Siedlung war eine neue Straße in einem alten Dorf am Rande der Westpfalz. Nicht alle Bauplätze waren bebaut, es gab jede Menge Spielplatz- ganz ohne Spielgeräte, unsere Spielgerät war unsere Fantasie. Wir, das waren Erik, den alle Grinsi nannten und sein Bruder Markus, der mal das Zahnwasser seiner Oma getrunken hatte und deswegen Blendax genannt wurde. Wir, das waren auch die Kinder der Familie Mika, Chrissi- die Tapfere, Marcel, der Kleinste und Sabine, die älteste der Mika-Bande, die sich immer um alles und jeden kümmerte. Besonders ihr Gerechtigkeitssinn war ausgeprägt und sie zauderte auch nicht, den Jungs mal eine zu donnern. Immer dabei war auch mein Cousin Alex, der zwar nur zwei Monate jünger, aber gefühlte 50 cm kleiner als ich geraten war.


Wir wohnten zur Miete, etwa 50 Meter von meiner Großmutter entfernt. Ihr Haus war das Zentrum der Straße, es war der Treffpunkt der Nachbarschaft. Das Gasthaus war mein zweites Zuhause, mit Oma, Opa und all den mehr oder weniger skurrilen Gästen.


Die Siedlung begann am Ende des Homburger Weges und führte den Berg hinauf, vorbei an vielen Häusern, Omas Kneipe, unserer Wohnung, dem BrachGrundstück, das unser Bolzplatz war, der Einmündung Elisabethenstraße, der alten Grabsteinmacherei bis hinauf in den älteren Teil unserer Straße, dessen Mittelpunkt Frau Langs alter Tante-Emma-Laden bildete. Direkt nebenan wohnte mein Cousin- nach rechts verlief die Straße, vorbei an der großen Tanne, der Einmündung zum Pfarrwäldchen und dem Stegwoogerweg, bis nach ein paar weiteren Metern auf der linken Seite das alte Schulhaus stand und die örtliche Polizeistation ihr Quartier bezogen hatte. Die Herzogstraße fand ihr Ende, dort, wo es sich heute noch befindet- zwischen dem Gasthaus Schleppi rechts und einem Bauernhof links mündet sie in die Hauptstraße- nur finden heute keine waghalsigen Abbiegemanöver mehr statt- eine Ampel regelt den Verkehr. Vieles hat sich verändert in meiner alten Straße.

Einiges ist neu hinzu gekommen, anderes- wie die große Tanne- ist verschwunden. Nun sind wir Kinder von damals erwachsen und es fällt manchmal schwer sich an jedes Detail unserer aufregenden Kindheit in unserem kleinen Dorf zurück zu erinnern. Damit diese Zeit nicht vergessen wird, schreibe ich meine Geschichten. Keiner in meinen Geschichten heißt so wie im echten Leben, bei manchem ist vielleicht meine Erinnerung getrübt, aber das Meiste war genau so- am Amizaun, in der Siedlung, am Rande der Westpfalz, in Kübelberg.

Partnerblog „Zaungeschichten.com“ im TV

Ihr wundert euch bestimmt, weshalb meine Schreibaktivität hier auf der virtuellen Siedlung nahezu ruht. Was steckt dahinter? Wie ihr vielleicht wisst, führe ich noch einen Partnerblog: http://www.zaungeschichten.com . Auf diesen Blog ist der saarländische Rundfunk gestoßen und hat über uns hier im Quartier in Sarreguemines eine Reportage gedreht. Wenn ihr neugierig seid, wie wir hier leben, schaut euch am Montag, 12.10.2020 um 18.50 Uhr die Sendung WimS- Grenzenlos beim Saarländischen Rundfunk an 😉 Und wenn ihr euch für das Leben hier in Saargemünd interessiert, dann seid ihr eingeladen in den Zaungeschichten zu schmökern.

bis ganz bald, eure Nadine

Die Siedlung- Das Quiz V

Ihr wollt euer Wissen ausprobieren? Dann spielt mit bei „DIE SIEDLUNG- DAS QUIZ V“ ! Einfach auf das Foto klicken- und los geht’s 😉 Viel Spaß! Zur Verlosung unter allen Teilnehmern, die bis 12.09. , 17.59 Uhr miträtseln, stehen zwei „Kiwwelberjer Tassen“ von http://www.diesiedlung.com 🙂

Musicbox und BonanzaHorst (1983)

Die Schule fing wieder an und die Siedlung versank in dem ihr ganz eigenem Rhythmus. Die Erwachsenen fuhren wieder zur Schicht, die Kinder pilgerten brav zur Schule. Die Grundschule war schon etwas älteren Semesters, aber das Schulzentrum mit neu gebauter Haupt- und Realschule war gerade erst gegründet worden. So gab es mittags an den vielen gedeckten Tischen einiges zu erzählen- von neuen Lehrern, neuen Schulen und neuen Freunden. 

Bei mir folgte der Tag einem eigenen Schema. Den morgendlichen Teil verbrachte ich wie alle anderen in der Grundschule. Schule war ganz nett- die meiste Zeit sehr interessant, aber mein Leben spielte sich -nach Erledigung der Hausaufgaben- draußen ab. Eine der aufregendsten Zeiten des Tages war die Mittagszeit. Ich kam aus der Schule heim zu Oma. Dort wohnte zu der Zeit noch meine Tante Rosi. Sie hatte gerade ihre Friseurinnen-Lehre abgebrochen und lungerte -sehr zum Unmut meiner Großeltern- zuhause rum. Ich mochte es sie zu ärgern und sie genoss es, wenn sie mich plagen konnte. 

Mittags also, wenn ich aus der Schule kam, lief im Radio die SWF3- Musicbox. Ich glaube alle haben sie gehört- immerhin war der damalige Südwestfunk der erste Sender der ARD, der eher für junge Leute sendete. Jahre später war bei mir im Küchenradio und im Autoradio ganz klar 97.5 UKW eingestellt. Bis heute wechsele ich zu SWR3, wenn ich aus dem Bereich des Saarländischen Rundfunks Richtung Siedlung herausfahre. Also Rosi, die etwa 14 Jahre älter als ich war, war völlig darauf versessen die neuesten Hits auf SWF3 zu hören- und ich- ich war darauf aus, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. Wenn ich nach hause kam, rannte ich zum Radiorecorder, vor dem meine Tante schon mit großen Ohren saß. Sofort entstand ein Gerangel, bei dem meine Tante zumeist den Kürzeren zog. „Weg da, du Mistkröte! Da läuft gerade das neueste Lied von Kim Wilde! Finger weg vom Radiorecorder“ „Lass mich meine Kassetten einlegen!“ Sie versuchte mich weg zu drücken- keine Chance. Ich schaltete auf Kasettenmodus und warf meine HanniNanni oder BlackBeauty Märchenkassetten ins Kassettendeck. Rosi schaute hilfesuchend zu meiner Oma, die während unserer mittäglichen Auseinandersetzungen ganz oft am Herd gerade das Mittagessen zubereitete. Sie schaute dann die meiste Zeit nur mit mildem Blick zu uns herüber und antwortete mit „Ach lass das Kind doch!“„Mamme, das kann doch nicht dein Ernst sein! Sie macht das jeden Tag!“ Mit energischem Ton versuchte sich meine Tante zu behaupten. Aber meine Großmutter hatte das schlagendste Argument von allen: „Musst du nicht Bewerbungen schreiben? Hast du überhaupt Zeit dir diese ganze Musik anzuhören? Ich schau mir das nicht mehr lange an, dass du zu Hause sitzt und nichts machst!“ Rosi war dann beleidigt und still. Sie hatte dem nichts entgegen zu setzen. Schmollend zog sie sich zurück in ihr Zimmer. Meistens kam sie dann noch nicht mal mehr zum Essen runter. Sie protzte in ihrem Zimmer auf ihrer grünen Cordcouch und drehte die Rolling Stones so laut auf, dass ich unten kaum meine MärchenKassetten hören konnte und Oma am Rande des Nervenzusammenbruchs war. Oft gipfelte das Ganze dann in einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei der dann mein Großvater am Ende das Machtwort sprach. Die Diskussionen zwischen meiner Tante und meinen Großeltern hab ich eigentlich nur so am Rande mit beobachtet, für mich war wichtig, dass ich mich mit meinen Märchenkassetten durchgesetzt hatte. Ich hatte gewonnen- wie so oft bei Oma. 

Unsere Familie umfasste aber nicht nur Oma, meine Tante, mich, nein- da war auch noch meine Uroma. Sie war keine Kübelbergerin, sie wohnte zwar in Schönenberg, stammte aber aus Brücken. Uroma hatte irgendwann meinen Uropa Richard aus Schönenberg geheiratet, auf dem Sandhiwwel ein Haus gebaut und dort ihre Söhne und Töchter großgezogen. Sie hatte viel erlebt und im Laufe der Jahre hatte ihr Gehör gelitten. Ich habe es oft erlebt, dass gerade bei älteren Leuten eine Art selektives Gehör einsetzt- aber bei meiner Uroma Krupp war das wirklich auf das Alter zu schieben. Elsa, die klein und zierlich, immer brav an der Seite meines als sehr sturen und eigensinnig geltenden Urgroßvaters verbrachte, teilte mit mir und meinem Cousin Alex- den beiden jüngsten Sprossen- eine Vorliebe für Cowboy-Filme. Winnetou stand bei ihr- wie bei uns- hoch im Kurs- die Cartwrights aus Bonanza waren quasi schon Teil der Familie. Einmal danach gefragt, weshalb sie nicht so kochen würde wie deren chinesischer Koch Hop-Sing, antwortete sie in ihrer unverfälschten Art: „Die Chinesen essen so viel Hund- und das möchte ich auf keinen Fall essen!“ Es gab Ende der 70er, Anfang der 80er ein Bonanza-Kochbuch, dass ihr meine Cousine Agnes, die mit ihr im Haus wohnte, mal zu Weihnachten geschenkt hatte. Elsa rührte es nicht an- sie hatte so große Angst davor, darin könnten sich wirklich Hunderezepte befinden, dass es bis zu ihrem Ableben unbenutzt im Regal stand. Heute ist es in meinem Besitz und ich muss jedes Mal lachen und an Uroma denken, wenn ich es in die Hand nehme. Wie schon gesagt, hatte Uroma Elsa schon viel erlebt und die Amerikaner, die nach dem Krieg Einzug in Schönenberg und Kübelberg hielten, waren ihr zu Anfang recht suspekt. Als sich dann Fernsehen und amerikanische Serien in die Kruppsche gute Stube  in der Zwerchstraße einschlichen, da konnte sich UrOma erst richtig mit der damaligen Besatzungsmacht anfreunden. Die Amipfalz wurde geboren und nicht nur meine Urgroßeltern profitierten- wie so viele andere- von den Neuankömmlingen. Nur mit den amerikanischen Namen hatte Elsa ihre Probleme- Ben Cartwright, Little Joe und Adam konnte sie gut verstehen. Nur mit einem Namen der CartwrightBrüder— der ihr zudem noch am Besten gefiel- konnte sie nix anfangen. Er irritierte sie vollends.

Irgendwann besuchte sie uns auf der Siedlung. Wir saßen in Omas Kneipe bei Kaffee und Kuchen- und da waren zwei Amerikaner, die sich ein deutsches Bier gönnten. Ich kann mich so gut erinnern. Die beiden waren in Uniform und stießen auf ihren Dienstschluss an. Sie grüßten zu Uroma und mir herüber, hoben ihre Barette „Good Evening, Ma’am!“ und erzählten miteinander. Uroma hatte am Abend zuvor die neueste Folge Bonanza geschaut und wollte nun Klarheit über den Namen, den sie nie richtig verstand. Die beiden Amerikaner schienen ihr von Natur aus dazu geeignet zu sein, ihre Frage über den schwergewichtigsten Sohn der Cartwright zu klären. Völlig unerwartet für uns erhob sie sich von unserer Kaffeetafel und ging zu den Soldaten hinüber. „Guten Tag die Herren! Woher kommen sie denn?“ Uroma war klar, dass nur jemand aus Texas oder den wilden Westen diese Frage richtig beantworten konnte. Einer der beiden Amis schaute sie an lächelte und sagte auf deutsch „Heute aus Miesau, Ma’am“ Oma schaute etwas verdutzt, weil sie die deutsche Antwort nicht erwartet hatte. „Aber sie sind doch Amerikaner? „Ja das sind wir. Aber mein Großvater ist vor dem Krieg nach Amerika ausgewandert. Deswegen kann ich auch deutsch sprechen. Er kam aus Brücken und ist dann nach Denver gezogen. Ich komme also aus Denver!“ UrOma schaute mich fragend an: „Liegt Denver im wilden Westen?“ „Bestimmt!“ antwortete ich, obwohl ich damals keine Ahnung hatte, wo Denver lag. Ich kannte nur den „Denver-Clan“ und den kannte Uroma auch, aber da ging es um Öl und nicht um den wilden Westen. Sie ließ nicht locker und fragte weiter: „Liegt Denver denn im wilden Westen?“ Der Ami schaute sie amüsiert an: „Ja im Süden und im Westen zu zu sagen.“ Damit war Oma zufrieden. Die Kompetenz ihre so dringliche Frage zu beantworten war also festgestellt und sie freute sich sichtlich darüber. „Also, Sie müssen mir bitte eine Frage beantworten: Wieso haben alle Söhne von Ben Cartwright bis auf Horst englische Namen?“ Der Ami versuchte höflich zu bleiben und sich das Lachen zu verkneifen. „Ma’am, da haben sie vielleicht etwas falsch verstanden. Der Sohn – sie meinen den fülligeren- der heißt HOSS!“ Uroma schaute ganz verdutzt und sagte: Ja, ja, HORST Cartwright. Ich sag’s doch! Ist das nicht seltsam?“ „Ma’am, er heißt wirklich Hoss, nicht Horst.“ „Jaja, HORST ist wirklich seltsam für die Cartwrights! Deswegen frag ich sie ja. Wie heißen sie denn?“ „Ich heiße Siggi, wie mein deutscher Großvater.“ antwortete der Amerikaner „Also, das ist auch kein amerikanischer Name- bestimmt hatte der Horst Cartwright auch deutsche Vorfahren. Bestimmt eine deutsche Mutter. Die haben sie in der Serie wohl nicht erwähnt- oder ich habe es überhört – wissen sie, ich höre nicht mehr gut.“ Der Amerikaner schaute mich lächelnd an und fragte: Und wie heißt du?“ „Nadine!“ „Na, dann bist du wohl Französisch!“ „Nein, mein Herr, sie ist deutsch, ganz so wie der Horst Cartwright!“ entgegnete ihm Uroma. Jeder musste lachen, die ganze Kneipe lachte und Uroma stand entrüstet mittendrin. „Jetzt könnt ihr lachen, aber ohne mich wäre die Sache mit dem Bonanza-Horst nie geklärt worden!“ Das Lachen der anderen Gäste in der Wirtschaft schallt mir immer noch in den Ohren, und wenn Uroma mir in der Zeit danach über die neueste Bonanza- Folge erzählte, dann nie ohne die deutsche Mutter von Bonanza-Horst zu erwähnen.